Über eine Freundin hatte Carmen Suella-Strauß damals erfahren, dass die Volkshochschule Menschen als Lehrende sucht, die sich mit ihrem Wissen einbringen können. Die Italienerin überlegte nicht lange und bot vor 25 Jahren die ersten Kochkurse in Verl und Schloß Holte-Stukenbrock für die vhs an.
Ihr Credo: »Wenn es der Familie schmeckt, ist das Rezept gut für den Kurs.« Dass die Teilnehmer ihres ersten Kurses sich noch regelmäßig treffen und mit ihr gemeinsam jetzt das 25-jährige Jubiläum gefeiert haben, spricht für sich. Denn Carmen Suella-Strauß ist inzwischen 76 Jahre alt und unterrichtet nicht mehr bei der vhs.
Frau Suella-Strauß, wieso treffen Sie sich mit den Frauen und Männern Ihres Italienisch-Kochkurses noch immer? »Wir sind über die Jahre Freunde geworden – mehr noch. Die Menschen hier sind Familie für mich. Meine Mädels, so nenne ich die Frauen aus Verl, holen und bringen mich zu unseren Treffen.«
Carmen Suella-Strauß rührt den Kartoffeleintopf nach dem Rezept ihrer Schwester, während Heike Stedem noch hochwertiges Olivenöl zu den Pimentos in die Pfanne gibt.
Sie kommen gar nicht aus dem Einzugsgebiet der vhs Verl-Harsewinkel-Schloß Holte-Stukenbrock? »Wie einige andere Kursteilnehmer auch bin ich das tatsächlich nicht. Früher habe ich in Sennestadt gewohnt, jetzt lebe ich in Gütersloh. In meinem Alter ist es schön, umsorgt und gefahren zu werden. Denn wir treffen uns in der Regel in Schloß Holte bei Wolfgang. Seine Küche ist groß genug für uns alle.«
Was hat Sie damals bewogen, anderen Menschen die italienische Küche näher zu bringen? »Mich hat immer begeistert, dass meine Mama aus Nichts das Besondere gezaubert hat. Hausmannskost, die alle kochen können, raffiniert zuzubereiten, das hat mir schon immer gefallen. Nudeln, Ravioli, Tortellini selbst zubereiten, Eintopf kochen, Gemüse verarbeiten, herrlich! Und natürlich die Spezialitäten meiner Heimat Genua bekannt zu machen, also Pesto Genovese und auch Wild- oder Fischgerichte.«
Haben Sie schon immer gerne gekocht? »Ja, als ich noch ein Kleinkind war, hat mein Papa mir extra eine Fußbank gezimmert. Damit ich meiner Mama beim Kochen helfen und die Tomatensauce umrühren konnte.«
Haben Sie selbst auch etwas lernen können in Ihren Kursen? »Aber natürlich, man erfährt an jedem Abend etwas Neues. Und nicht zu vergessen: Man kommt in Kontakt mit netten Menschen, mit denen man viel Spaß hat. Wenn’s klappt, dann auch über den Kurs hinaus.«
Gemeinsam Mund-Propaganda zubereiten
Durch das Küchenfenster kann man sie schon sehen: Koch- und Genussfreunde unterschiedlichen Alters, die eifrig miteinander reden, hin und her laufen, kosten, am Herd stehen, umrühren und hin und wieder einen Schluck Wein oder Bier trinken. Hören kann man sie durchs gekippte Fenster auch. Die Stimmung ist gut. Dabei haben sich die zwölf Personen zuletzt vor einem halben Jahr gesehen. Gastgeber Wolfgang Kreyer öffnet die Tür: Es dauert keine fünf Minuten und man ist mittendrin: im Duft von gebratenen Pimentos, diese kleinen grünen Paprika, mit geröstetem Sesam, genauso wie inmitten der guten Laune. Hier hilft jeder Hobbykoch dem anderen beim Schnibbeln und Vor- oder Zubereiten. Und nascht schon mal. Immer wieder werden kleine Probierteller gereicht, die Appetit auf mehr machen. Zu Gast im Schlaraffenland.
Heute wird nicht ein besonderes Gängemenü gekocht, sondern die Gäste haben ihre Lieblingsrezepte mitgebracht. Ein erprobtes aus dem dicken DIN-A4-Ordner ihres Kurses, oder ein ganz neues. Vor 25 Jahren hat es den Kurs zum ersten Mal gegeben. Heute trifft sich die Gruppe privat. »Mama« Carmen hat ein neues Rezept ihrer Schwester zubereitet: einen Eintopf aus Kartoffeln mit Paprika. Er schmort im offenen Topf. Nachher wird er Beilage zur gefüllten Hähnchenbrust in Parmesankruste. Doch jetzt gibt es gebackene Süßkartoffel mit Ziegenfrischkäse, Minze und Granatapfelkernen. Nicht nur ein Gaumen-, sondern auch ein Augenschmaus. Gastgeber Wolfgang Kreyer steht inzwischen selbst an seinem Herd. Er stellt den Wok bereit, eine spezielle Pfanne, die ihm als Kochgerät am Herzen liegt. Denn Kreyer ist beruflich viel in China gewesen und hat dort die authentische Landesküche kennen- und lieben gelernt. Aus diesem Grund hat er für seine Gäste am Morgen in Bielefeld frische asiatische Kräuter besorgt und Riesengarnelen. Zunächst dünstet er den Staudensellerie.
»Der braucht gut eine Viertelstunde, bis er zart ist«, sagt er. Nach und nach kommen alle Zutaten in den Wok, zuletzt das Thai-Basilikum. Schlagartig verbreitet sich ein neuer aromatischer Duft in der Küche. Wie Kreyer, so bringen auch alle anderen Gäste frische Lebensmittel oder Getränke mit. Wir schauen hier nicht nach mein und dein. Wir teilen miteinaner. Das ist der Zweck bei so einem Kochkurs oder Kochtreffen sagt Kreyer. Die Teilnehmer kommen aus Verl, aus Schloß Holte-Stukenbrock, aber, der Mundpropaganda – die hier eine ganz eindeutige Bedeutung erhält – sei Dank, auch aus Bielefeld, Sennestadt oder Oerlinghausen.
Claudia Voßhenrich aus Verl ist »erst« seit 15 Jahren mit dabei. »Ich bin mal für eine Freundin beim vhs-Kurs eingesprungen, die terminlich verhindert war. Und dann bin ich dabeigeblieben. Heute bin ich stolz darauf, dass die Gruppe noch privat weitermacht.« Dafür braucht es Kümmerer, das weiß sie zu schätzen. Jemand muss einladen, ein Thema positionieren, ein kulinarisch interessantes Ausflugsziel vorschlagen oder das Wildfleisch fürs nächste Kochen mitbringen. Dafür ist in aller Regel Marion Bullman aus Schloß Holte-Stukenbrock verantwortlich. Sie ist seit 1997 mit von der Partie und, wie alle in ihrer Familie, Jägerin. Wie lecker, wenn in so einem Kurs einfach alles miteinander harmoniert.
Wolfgang Kreyer gab, zusammen mit seinem Schwager Achim Krenski, selbst einmal Chinesisch-Kochkurse für die vhs in Schloß Holte-Stukenbrock. Hier konnte er sein Wissen aus dem Land an Kochfreunde aus Ostwestfalen weitergeben. Er wollte mehr erfahren über das Zubereiten von Wild und fragte bei der vhs nach einem Wild-Kochkurs an. Danach nach einem Italienisch-Kochkurs – und lernte so Carmen Suella-Strauß kennen. Mit ihr zusammen pflegt er den Kreis der damaligen Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer seit nun 25 Jahren. Gefragt, welchen Kurs er heute gerne belegen würde, antwortet er ohne zu zögern: »Grillen, das wäre interessant. Ausgefallene Grillgerichte aus der ganzen Welt, zubereitet auf dem klassischen Holzkohlegrill, das wäre toll!«