Einmal im Jahr richtet die Partnerschaft für Demokratie Schloß Holte-Stukenbrock eine Demokratiekonferenz aus. 2023 stand sie unter dem Motto „Im Sport vereint? Wie kann Sport den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und welche Herausforderungen müssen dafür bewältigt werden?“ Die Podiumsgäste waren sich einig. Sport kann demokratiefördernd wirken.
Knapp 70 Teilnehmende kamen in die Aula der Gesamtschule, um sich mit dem Thema Sport und Demokratie auseinanderzusetzen. Die PfD SHS hatte im laufenden Kalenderjahr ihren Schwerpunkt auf die politische Bildung im Sport gelegt. Die Leitfrage für die Demokratiekonferenz und das Podium war folgerichtig „Im Sport vereint?“
In seiner Begrüßung betonte Olaf Junker, 1. Beigeordneter der Stadt, der Sport sei der Kitt der Gesellschaft, weil er die Fähigkeit habe, Menschen zusammenzubringen. Die Podiumsgäste bestätigten dies vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen. Alice Drouin, Leiterin der Kompetenz- und Koordinierungsstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt im Sport beim Lesben- und Schwulenverband in Berlin, kam vor 15 Jahren aus Frankreich nach Deutschland. Dass sie in Berlin schnell Anschluss gefunden hat, verdanke sie dem Fußball: „Bevor ich Freundinnen und Freunde hatte, hatte ich eine Mannschaft“, sagte sie. Auch Ewald Lienen berichtete von der Bedeutung des Sportvereins in seiner Jugend: „Der VfB Schloß Holte ist meine Ersatzfamilie geworden. Hier hat man sich um mich gekümmert, da habe ich viel gelernt“, so der in Liemke geborene ehemalige Fußballprofi. Anna Brentrup engagiert sich beim Kreissportbund Gütersloh dafür, niedrigschwellige Angebote für Kinder mit Flucht- und Migrationserfahrung zu schaffen, durch die sie mit anderen Menschen in Kontakt kommen und sich kennenlernen.
Einig ist man sich auf dem Podium aber auch: Im Sport – immer auch Abbild der Gesellschaft – werden Menschen ausgegrenzt und diskriminiert. Das kann auch viele verschiedene Arten und Weisen geschehen. Alice Drouin, die Frauen liebt, wurde schon häufig auf und neben dem Platz beschimpft. Generell sei Homophobie und Queerfeindlichkeit noch sehr verbreitet. Auch Oswald Marschall berichtete von Diskriminierung. Er ist heute Boxtrainer und politischer Referent beim Zentralrat deutscher Sinti und Roma. Früher war er eines der vielversprechendsten Boxtalente in Deutschland. Doch obwohl er damals alle Anforderungen erfüllte, sei er 1976 nicht mehr für das deutsche Olympia-Team berücksichtigt worden. Irgendwann habe gemerkt: „Die wollen mich einfach nicht.“ Antiziganismus sei ein gesellschaftlich sehr weit verbreitetes Phänomen; er werde nicht so sehr geächtet wie andere Formen der Diskriminierung und deshalb noch offener zum Ausdruck gebracht, so der Podiumsgast.
Das Wichtigste sei, Betroffene zu unterstützten. „Demokratie heißt auch, Menschen setzen sich für andere Menschen ein“, sagt Drouin und betont: „Wir brauchen insbesondere Menschen, die nicht betroffen sind“. Wenn man die Courage und die Möglichkeit hat, und die Betroffenen das auch möchten, müsse man intervenieren, wenn man Diskriminierung beobachte. Auch Ewald Lienen betont die Wichtigkeit von Zivilcourage und nimmt Sportvereine in die Verantwortung, diese auch schon früh zu vermitteln. „Wir müssen Werte und Charaktereigenschaften vermitteln“, sagt er und unterstreicht: „Wir sitzen hier, weil der Sport und die Sportvereine da etwas machen können.“ Was der Sport leisten kann, dafür ist die Arbeit von Oswald Marschall ein gutes Beispiel. Mit seinem Boxverein versucht er junge Sinti und Roma zu unterstützen und Vorurteile in der Mehrheitsgesellschaft abzubauen, in dem er Vorträge und Bildungsreisen organisiert. Außerdem mache sein Boxverein einmal im Monat einen Tag der offenen Tür, um die Menschen zusammenbringen. Denn nur wenn man sich kennenlerne, könne man Vorurteile abbauen. Für Oswald Marschall war dies aufgrund seiner Erfahrungen eine Selbstverständlichkeit. „Irgendwann sagte man, ich mache sehr gute Integrationsarbeit. Ich wusste damals gar nicht, was das Wort überhaupt heißt. Für mich war einfach das klar, dass ich sowas machen muss.“
Einigkeit herrschte darüber, dass Trainer:innen eine wichtige Rolle zukommt, um das demokratische Bewusstsein zu fördern. Sie können Einfluss darauf nehmen, wie Sportler:innen miteinander umgehen und schon früh wichtige Werte lehren. Dafür müssen Trainer:innen aber empathisch und sensibel sein; sie müssen aber vor allem sensibilisiert sein für Diskriminierungsmechanismen. Es sei wichtig, dass Vereine ihre Übungsleiter:innen entsprechend ausbilde, betonte Anna Brentrup. Genau dafür brauche man professionelle Hilfe, denn um dies zu leisten, fehle es Sportvereinen oft an Zeit und Ressourcen. Vereine können die Probleme durch das Ehrenamt nicht lösen. „Die Verbände sind gefragt. Sie müssen Anlaufstellen schaffen mit geschulten Fachpersonal“, betonte Alice Drouin. Ewald Lienen sprach die anwesenden Politiker:innen an: „Wir haben so viel Potenzial im Sport, aber die Politik muss helfen, damit wir das auch nutzen können.“
Vor der Podiumsdiskussion führte Friedhelm Schäffer vom Kreismuseum Wewelsburg die Teilnehmer:innen durch die Ausstellung „Fußball in der NS-Zeit“. Die Ausstellung wurde gemeinsam mit der Gedenkstätte Stalag 326 (VI) K Senne organisiert, die ein wichtiger Netzwerkpartner für die Partnerschaft für Demokratie SHS ist. Sie leiste in Schloß Holte-Stukenbrock wichtige Gedenkarbeit und Demokratiebildung, betonte der VHS-Leiter Josef Lieneke in einer Ansprache ans Publikum und bezog damit auch Stellung zur aktuellen Situation der Gedenkstätte, die um eine Weiterförderung bangt.